Veranstaltungsbericht: Historische Argumente zur Legitimation von Kriegen - Am Beispiel der Ukraine

Am 16.01.2023 veranstaltete die Hochschulgruppe für Außen- und SIcherheitspolitik Halle einen Vortragsabend mit dem Militärhistoriker Prof. Dr. Sönke Neitzel.
Schon eine gute Viertelstunde bevor es pünktlich um 18.30 losgehen sollte, waren die digitalen Reihen der Zuhörerschaft für den Vortrag des Potsdamer Professors für Militärgeschichte und die Kulturgeschichte der Gewalt, Dr. Sönke Neitzel, reichlich gefüllt. Angeregt in ein Gespräch mit dem gut aufgelegten Professor versunken, fanden sich dann bis zum Start über 80 Gäste ein.
Ein voller Erfolg also, und das bereits, bevor die ersten offiziellen Worte gesprochen waren. Da Herr Prof. Neitzel jedoch an diesem 16. Januar nicht nur für die HSG Halle von Interesse war, sondern am selben Abend noch anderweitig eingespannt war, galt es, keine Zeit zu verlieren: Nach einer knappen Vorstellung des Referenten, eröffnete dieser mit einem komprimierten, etwa 20 minütigen Impulsvortrag, um alle Hörer auf denselben Stand der Diskussion zu bringen.
Der Vortrag fand entlang dreier Linien statt: Zum einen ging Prof. Neitzel auf Deutschland ein, dessen Selbst- und Geschichtsverständnis entscheidend durch den Zweiten Weltkrieg und den aus diesem gezogenen Lehren geprägt sei. Konkret meine dies, so Neitzel weiter, dass Deutschland nie mehr Täter werden und nie mehr Alleingänge wagen wolle. So sei eine postnationale Kultur im Selbstverständnis Deutschlands enthalten. Diese bediene sich eines explizit pazifistischen Vergangenheitsverständnisses. Entsprechend sei vor diesem Selbstverständnis das Zögern zu den Panzerlieferungen an die Ukraine zu verstehen.
Zum Zweiten stellte Prof. Neitzel dem das russische, spezieller, das putinsche Geschichtsbild gegenüber: Dieses sei entstanden durch eine, die liberale Entwicklung der russischen Geschichtswissenschaft in den 1990ern unterbrechende, Renationalisierung historischer Diskurse in Russland. Es fuße insbesondere auf einem geradezu mythischen Kult um die während der russischen Geschichte immer wieder erbrachten Selbstopfer und der Heroisierung des Sieges der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg. Im Ergebnis führe diese Konstruktion einer heldenhaft-opferbereiten russischen Nation dazu, der Ukraine (und ggf. auch anderen postsowjetischen Staaten) und ihren Bewohnern den Rang eigenständiger Nationalität abzusprechen. Durch den, für westliche Beobachter recht beliebig wirkenden Rückgriff auf einzelne, sich widersprechende historische Figuren, wie Stalin, Peter den Großen oder Zar Nikolaus II., und Konzepte, wie den Zarismus oder die Weltmachtrolle der Sowjetunion, träten unweigerlich Widersprüche auf. Diese müssten aber, so Prof. Neitzel, nicht aufgelöst werden. Stattdessen sei für das Regime Putin nur wichtig, wie gut der jeweilige Mythos, oder die jeweilige Erzählung verfange. Und letzteres sei durch die Abhängigkeit der russischen Presse und des Fernsehens vom Kreml weitestgehend gegeben.
Zuletzt ging Prof. Neitzel dann noch auf China und sein Verhältnis zu Taiwan ein. Dabei verwies er auf die in weiten Kreisen in China als ohnmächtig und schmachvoll empfundene Zeit zwischen den 1840ern (der Zeit der Opiumkriege) und den 1940ern (dem Ende des seit den 1920er Jahren tobenden Bürgerkriegs), die von außenpolitischer Schwäche, innerer Zerrissenheit und z.T. auch ausländischen Teilbesatzungen geprägt war. Vor diesem Hintergrund werde die offiziell vom chinesischen Staat ausgegebene Leitlinie 2049, also wiederum hundert Jahre später, (erneut) eine wiedervereinte Weltmacht zu sein, verständlich.
Mit einem Verweis, dass historische Argumente seit der Ratifizierung der UN-Charta, die bekanntermaßen Angriffskriege verbietet, eine neue politische Dimension gewonnen hätten, da seither jedes militärische Eingreifen der Rechtfertigung bedürfe, beendete Neitzel seine Ausführungen und stellte sich den Fragen aus dem Publikum.
Diese kamen dann auch zahlreich und breit gestreut: Sowohl der Dualismus von innen- und außenpolitisch wirksamen historisch aufgeladenen Rechtfertigungsstrategien, Putins angenommenes Streben nach dem Verlassen der westlich dominierten Weltordnung, der Einfluss den die russisch-orthodoxen Kirche auf die russische Bevölkerung als auch die Rolle, die besagte Kirche in Putins Herrschaftssystem einnimmt wurden angeschnitten. Zu jedem dieser Themen, und einer ganze Reihe weiterer Ideen, die aufkamen, wusste Herr Prof. Neitzel Wissenswertes zu sagen. Eingedenk der Verpflichtungen des Professors wurde die Veranstaltung knapp eine Stunde nach Beginn beendet. Ein gewisser Teil der Zuhörer blieb danach noch, um in lockerer Runde die Eindrücke und Denkanstöße zu besprechen, die der Vortrag und die Fragerunde mit sich gebracht hatten. Insgesamt bleibt so nicht mehr zu sagen, als Professor Neitzel für seine Zeit zu danken - und zu hoffen, ihn bald mal wieder für eine Veranstaltung begrüßen zu können.
Der Nahe Osten – Ein Pulverfass

Am vergangenen Mittwoch, den 06. Juli, trafen sich die Hochschulgruppen aus Halle und Jena, um gemeinsam in Halle mit Stefan Lukas über die aktuelle Lage im Nahen Osten zu sprechen. In einer lockeren Pub-Atmosphäre gab der Nahost-Experte einen Input zur aktuellen Situation, Herausforderungen und möglichen zukünftigen Entwicklungen in der Region. Aus dem Vortrag resultierte dann eine angeregte Fragerunde, sowie eine thematisch weitgefächerte Diskussion.
Seinen Vortrag hatte der Referent in mehrere thematische Abschnitte eingeteilt. Zu Beginn referierte Lukas über die strategische Bedeutung die Westasien und Nordafrika insbesondere für europäischen Gesellschaften hat. Dabei ging es um verschiedene Aspekte der Globalisierung, wie die weltweite digitale Infrastruktur, Flugrouten, den Schiffverkehr oder die Ressourcenverteilung besonders von Öl und Gas. Lukas betonte immer wieder, dass noch viel zu häufig die „westliche Brille“ den Blick auf die Region prägen würde. Damit ist das Übertragen westlicher Wertvorstellungen, der Idee der „idealen Staatsform“, oder auch Vorstellungen gesellschaftlicher Ordnungen auf nichtwestliche Regionen gemeint. Dies verdeutlichte er an der Ordnung der Arabischen Halbinsel, welche vorrangig tribal und nur sekundär durch Staatsgrenzen gekennzeichnete sei.
Davon ausgehend schlug Lukas einen Bogen zu den konkurrierenden Weltmächten China und den USA und zeigte, dass sich diese Konkurrenzbeziehung auch auf den sogenannten Nahen Osten auswirkt. Als Grund für den Verbleib der USA in Westasien nannte er hauptsächlich deren Versuch die Verteilungshoheit über die Rohstoffe der Region gegenüber China zu behalten. Lukas betonte, dass Chinas Interesse in Westasien nun nicht mehr „nur“ rein wirtschaftlicher, sondern auch ideologischer Natur sei.
Auch zu einem anderen seiner Forschungsschwerpunkte – dem Klimawandel und dessen Auswirkungen in Westasien – kam Stefan Lukas, als er über neue und alte Herausforderungen sprach, die sich den Staaten der Region stellen. Dabei nannte er insbesondere den demographischen Wandel, Migrationsbewegungen innerhalb der Region, die vorherrschende Korruption im öffentlichen Sektor und den Klimawandel als primäre Problematiken in Westasien.
Den Klimawandel stellte Lukas als die bedrohlichste zukünftige Entwicklung für die Region heraus. Besonders die aus der Gletscherschmelze und Hitzewellen resultierende Wasserknappheit sei Brandbeschleuniger für bereits bestehende, aber auch Wegbereiter für neue Konflikte in der Region.
Die Thematik des Vortrages bot anschließend reichlich Stoff für weitergehende Fragen, die angeregt in der Gruppe mit dem Referenten diskutiert wurden. Dabei ging es um mögliche kommende Migrationsbewegungen, die Entwicklung des Irans und Demokratisierungs- und Seperationsbewegungen in der Region. Nach dieser aufgeweckten Fragerunde lockerte sich die Stimmung dann weiter auf und wir kamen zum „gemütlichen“ Teil des Abends: dem Netzwerken und gegenseitigem Kennenlernen. Die Mitglieder beider Hochschulgruppen zeigten sich sowohl an einem Austausch untereinander als auch an einem Austausch mit Stefan Lukas sehr interessiert und wir ließen den Abend bei einem Bier ausklingen. Dabei verließen wir den Bereich der Außenund Sicherheitspolitik kaum, was von einem hohen Interesse aller Anwesenden zeugte. Lukas gab zum Schluss zudem noch sehr bereichernde Tipps für eine berufliche Laufbahn im Bereich Sicherheitspolitik. Wir bedanken uns sehr bei allen Teilnehmenden und ganz besonders bei unserem Referenten Stefan Lukas für seinen lehrreichen Vortrag und einen netten Abend!
Veranstaltungsbericht zur Podiumsdiskussion “Europäische Energiepolitik - Zwischen Unabhängigkeit und Nachhaltigkeit?”

Am 20.06. organisierte die Hochschulgruppe für Außen- und Sicherheitspolitik Halle eine Podiumsdiskussion mit dem Titel “Europäische Energiepolitik: Zwischen Unabhängigkeit und Nachhaltigkeit?”. In der zweistündigen Diskussion wurde eine breite Palette von Themen angeschnitten und diskutiert: von der energieintensiven Industrie in Sachsen-Anhalt, über die Klimaziele und -programme der Europäischen Union bis hin zur Frage, wie Deutschland und die Europäische Union ihre Außenpolitik in energiepolitischen Fragen zukünftig gestalten sollten.
An der Diskussion nahmen drei Expert:Innen aus unterschiedlichen Fachbereichen teil: Franziska Böckelmann, Referentin für Energie und Industrie bei der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau; Uwe Zischkale, Abteilungsleiter für Energie, Nachhaltigkeit und Strukturwandel im Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt sowie Jakob Kullik, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internationale Politik an der Technischen Universität Chemnitz und Doktorand. Moderiert wurde die Veranstaltung von Oscar Prust, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Oscar Prust führte in die Diskussion mit einem kurzen Überblick zur bisherigen Zielsetzung einer unabhängigen Energiepolitik ein. So wurde bereits seit dem russisch-ukrainischen Gasstreit 2005 und 2006 das Thema Gewährleistung der Energieversorgung als sicherheitspolitische Fragestellung diskutiert. 2014 wollte der damalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Energiepolitik auf europäischer Ebene neu strukturieren, zu einer gemeinsamen Energieunion. Damals sagte er: “Wir müssen den Anteil erneuerbarer Energie am Energiemix auf unserem Kontinent erhöhen. Dies ist nicht nur eine Frage verantwortlicher Klimaschutzpolitik, sondern auch industriepolitisch unumgänglich.“
Damit war die Diskussion bereits am zentralen Thema angekommen. Ob Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit überhaupt zusammengehe, oder sich ausschließe, fragte Oscar Prust die drei Experten.
Nach Jakob Kulliks Ansicht stünde infrage, ob eine vollständige Unabhängigkeit überhaupt erreichbar sei. Auch eine nachhaltige Energieerzeugung sei mit Abhängigkeiten von Unternehmen ausländischer und außereuropäischer Staaten verbunden. Unter Verweis auf das energiepolitische Zieldreieck, das die Ziele Bezahlbarkeit, Verfügbarkeit und Nachhaltigkeit gleichermaßen betrachtet, erklärte er, dass jahrelang ein starker Fokus auf Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit von Energie stand. Die Nachhaltigkeit sei hier zu kurz gekommen.
Aus Sicht Uwe Zischkales stünden Unabhängigkeit und Nachhaltigkeit nicht zwangsläufig im Widerspruch zueinander. In einer fairen Partnerschaft mit anderen Staaten sei Abhängigkeit nur ein bedingtes Problem. Wolle man eine größere Unabhängigkeit von außereuropäischen Staaten erreichen sei es nötig, den Energieverbrauch zu reduzieren. Hierfür müsse man sich die Frage stellen, wie die Wirtschaft strukturiert werden müsste, um dieses Ziel zu erreichen. Andernfalls sei man weiterhin auf Partner angewiesen, um den Energiebedarf zu decken und Energiesicherheit zu gewährleisten.
Mit Blick auf die Frage der Unabhängigkeit machte Franziska Böckelmann darauf aufmerksam, dass sich viele Unternehmen bereits seit über zehn Jahren darum bemühten, sich umzustellen. Hier sei bereits viel passiert und in Bewegung. Um diese Entwicklung jedoch nicht zu unterbrechen, müsse die Politik aufpassen, nicht zu übersteuern. Man sei bereits an der Grenze zur Übersteuerung, so Böckelmann. Sie verwies jedoch auch darauf, dass insbesondere in Sachsen-Anhalt viele Unternehmen auf Energieträger wie Erdgas nicht einfach verzichten könnten.
Zudem müsse das derzeit akute Problem der Kostensteigerungen zunächst gelöst werden, bevor der nächste Schritt gegangen werde.
Vor Kurzem setzte die derzeitige Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen folgendes Ziel: „Wir müssen unabhängig von Öl, Kohle und Gas aus Russland werden […] Es gilt jetzt zu handeln, damit wir die Auswirkungen der steigenden Energiepreise abfedern, unsere Gasversorgung für den nächsten Winter diversifizieren und den Übergang zu sauberer Energie beschleunigen können.“ Das veranlasste Oscar Prust nach dem derzeitigen Status quo der Europäischen Energiepolitik zu fragen.
Grundsätzlich sei diese Zielstellung der Kommissionspräsidentin nicht unrealistisch, meinte Jakob Kullik. Die Tatsache, dass Energiepolitik im Wesentlichen Sache von Nationalstaaten sei und die Nationalstaaten unterschiedliche Präferenzen bei Energiequellen hätten, erschwere jedoch eine zügige Umstellung auf bestimmte Energiequellen.
Für ihn liege ein weiteres Problem in der Verschiebung von Abhängigkeiten. So seien beispielsweise viele Firmen aus der Branche der Erneuerbaren Energien nicht in Europa ansässig, sondern in Asien und insbesondere in China. Dadurch würden die Abhängigkeiten von Staaten aus denen derzeit fossile Energieträger importiert werden, hin zu Staaten verlagert, die eine starke Branche im Bereich der erneuerbaren Energien haben. “Wir holen uns neue Probleme ins Haus, die es schon gibt, die aber noch nicht beachtet werden”, so Kullik. Man müsse diese neuen Abhängigkeiten im Blick behalten.
Für Uwe Zischkale sei es dennoch weiterhin wichtig, einen kontinuierlichen Kurs bei der Reduktion von Treibhausgasemissionen zu behalten und keine kurzfristigen Änderungen vorzunehmen. Die Kosten des Klimawandels seien bereits sichtbar. Um die Klimaziele zu erreichen, brauche es daher ein stabiles Umfeld, damit Investitionen nicht behindert würden.
Franziska Böckelmann wies jedoch darauf hin, dass viele Unternehmen bestenfalls im europäischen Ausland ihren Sitz hätten, aber auch das sei nicht immer der Fall. Man müsse daher darauf achten, dass diese Unternehmen aufgrund hoher Einsparziele nicht abwanderten. Davon hätte Deutschland keinen Nutzen und dem Klima wäre auch nicht gedient, weil diese Unternehmen im Zweifel in Ländern produzieren würden, in denen deutlich geringere Umweltgesetze gelten. Ganz grundsätzlich müsse man zudem den komplexen Verflechtungen in den Werkstoffketten gerecht werden. Diese seien zwar energieintensiv, böten aber mit ihren Produkten wichtige Bestandteile, um nachhaltige Energiequellen zu errichten.
Als Nächstes wollte Oscar Prust von den Diskussionsteilnehmern wissen, ob eine gemeinsame Europäische Energiepolitik überhaupt hilfreich, oder notwendig sei.
Man müsse sich als großer gemeinsamer Markt verstehen, wolle man in Asien ernst genommen werden, so Franziska Böckelmanns Einschätzung.
Uwe Zischkale hob den föderalen Charakter stärker in den Mittelpunkt. Eine nationale Energiepolitik sei nicht unbedingt schlecht, da Staaten unterschiedliche Bedürfnisse hätten und dafür entsprechende Lösungsansätze bräuchten. Es müsse jedoch eine “zunehmende Kongruenz statt Konkurrenz” geben, was die Gesamtziele angeht. Dass das funktioniere, sei bei dem EU-Klimapaket “Fit for 55” bereits erkennbar.
Gleichzeitig müsse der Staat mehr die Kreativität der Unternehmen walten lassen und sich zurücknehmen. Dem stimmten auch die anderen beiden Diskussionsteilnehmer zu. Jakob Kullik schränkte jedoch ein, dass der Staat auch dann noch fundamentale Standards setzen müsse.
Im letzten Teil der Diskussion ging es um die Frage, welche Rolle der Außenpolitik und einer Kooperation mit dem Ausland bei der nachhaltigen Energieversorgung zukommt.
Uwe Zischkale sah hierbei, dass die bisherige Nutzung von Einfuhrpfaden wie aus der MENA-Region über Spanien, oder aus der Nordsee und den baltischen Staaten zur Energieversorgung einen Beitrag leisteten und das auch zukünftig so sein werde. Man müsse aber auch sehen, dass viele Staaten bei der Industrialisierung noch aufholen müssen. Diese setzen auf fossile Energiequellen. Diese müssen für den globalen Klimaschutz zunächst für die eigene Wirtschaft Erneuerbare ausbauen bevor sie diese exportieren- Diese Möglichkeit müsse man ihnen geben.
Auch Franziska Böckelmann sah die Einfuhr aus anderen Staaten als wichtigen Weg. Aber auch hier sei es in erster Linie auf Unternehmensebene die das realisieren müsse und das auch bereits tue.
Jakob Kullik wies auf verschieden Ansätze solcher Vernetzung hin. China sei da durch seine Staatsunternehmen im Vorteil, weil sie anderen Prinzipien unterlägen. Durch die Soziale Marktwirtschaft in Deutschland seien diese Möglichkeiten in Deutschland nicht vorhanden. Deshalb fehlten solche Unternehmen, die gleichzeitig auch unseren Rechtsnormen unterlägen. Eine zentrale Frage sei es in dem Zusammenhang, wer die Netze ausbaut und damit einer bestimmten Kontrolle unterliegt.
Im Anschluss an die Diskussionsrunde folgten Fragen aus dem Publikum.
Aus der Diskussion wurde klar: Deutschland und die Europäische Union werden auch zukünftig auf Energieimporte angewiesen sein. Partnerschaften auf Augenhöhe wären eine Möglichkeit, um dabei Abhängigkeiten besser begegnen zu können. Die Zahl autoritärer Staaten in der Welt sind weiterhin Faktoren die man nicht ausblenden kann. Eine gemeinsame Energiepolitik muss auch mit solchen Staaten umgehen. Insbesondere China ist hier ein zentraler Akteur. Wie die zukünftige Zusammensetzung der Energieversorgung aussehen wird, hängt maßgeblich auch davon ab, ob das wirtschaftliche Umfeld stabil bleibt. Hier bestand bei den Diskussionsteilnehmern Uneinigkeit, ob der Staat respektive die Europäische Union nur den Rahmen vorgeben solle, oder aktiv als Spieler einsteigen müsse, um Staatsunternehmen wie denen Chinas etwas entgegenzusetzen.
Am Ende der Veranstaltung erhielten die Teilnehmer Applaus aus dem Publikum.
Wir danken Frau Böckelmann, Herrn Zischkale und Herrn Kullik für ihre Teilnahme und die interessanten Beiträge. Zudem danken wir Herrn Prust für die Moderation.
Am 01.03.2022 fand das Web-Seminar zum ThemaVeranstaltungsbericht: Zukunftsressource Lithium - Fragile Stütze des Fortschritts

Am 01.03.2022 fand das Web-Seminar zum Thema -Zukunftsressource Lithium - Fragile Stütze des Fortschritts? – zusammen mit Prof. Dr. Ralf B. Wehrspohn und Jakob Kullik statt.
Vor 24 Teilnehmenden gaben die beiden Referenten nach einer kurzen Vorstellung und Begrüßung durch Frederic Dutke und Josef Hebeda der Hochschulgruppe zunächst einen grundlegenden Einblick in einzelne, für die Betrachtung relevante Teilbereiche des Themenkomplexes. Den Anfang machte Herr Wehrspohn mit den Physikalisch Technischen Grundlagen des Rohstoffes Lithium.
Lithium ist ein Leichtmetall, welches zum jetzigen Zeitpunkt meist entweder als Salz oder Spodumen gewonnen wird. Die größten Produzenten sowie Reserven finden sich in Australien und Südamerika. Auch in Deutschland bzw. Europa gibt es nicht unerhebliche, wenn auch längst nicht so große Vorkommen. Die Verortung der Produzenten kann jedoch das Bild der Lithiumproduktion leicht verzerren. Damit Lithium genutzt werden kann, muss es in Konvertern und Raffinerien weiterverarbeitet werden. Diese stehen fast ausschließlich in China. Auch das entsprechende Fachwissen zur Weiterverarbeitung liegt fast ausschließlich in China. Ein großer Teil der Wertschöpfungskette findet sich somit in China.
Wehrspohn beschäftigte sich darüber hinaus auch mit der Nachhaltigkeit von Lithium und der Unabdingbarkeit einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft für Lithium, um nicht wie beispielsweise bei Erdöl von der Ausbeutung der Erde und der natürlichen Beschränkung des Rohstoffes eingeholt zu werden. Diese seien jedoch zum aktuellen Zeitpunkt mit einer Recyclingquote von 0% noch nicht annähernd vorhanden. Auch werden bei der Gewinnung von Lithium, aus dem abgebauten Grundstoffen durch Konverter nur 10% Lithium und 90% Beiprodukte erzeugt. Von diesen wiederum werden 95-99% deponiert und nicht als Rohstoffe weiterverwendet. Es wird schnell deutlich, dass trotz einer globalen Minenproduktion von ca. 100.000t im Jahr 2021, die Wertschöpfungsketten, Infrastrukturen sowie das Nachhaltigkeitspotential von Lithium noch in den Kinderschuhen stecken. In einem E-Auto finden sich ca. 150 Gramm Lithium pro kWh und bereits im Jahr 2030 wird der Bedarf auf 300.000 Tausend Tonnen Lithium pro Jahr allein in Europa gerechnet. Um diese 300.000 Tonnen Lithium, welche für Europa decken zu können, bedürfte es laut Prof. Wehrspohn, wenn diese allein in Europa hergestellt werden sollten ca. 10-15 solcher Konverter und einer Investition von über 5 Mrd. Euro
Herr Kullik gab auf dem Vortrag von Herrn Wehrspohn aufbauend einen Einblick in die internationale Rohstoffpolitik hinter Lithium und vergleichbaren Rohstoffen wie verschiedenen seltenen Erden.
Es existiere keine Lithium-Versorgungsstrategie, eingebettet in eine größere Rohstoffstrategie. Das liegt auch daran, dass zum jetzigen Zeitpunkt die Märkte zurzeit lieferfähig sind. Es scheinen zudem genug globale Vorkommen vorhanden zu sein. Auch die sicherheitspolitische Relevanz hielte sich daher bisher in Grenzen. Vor dem Hintergrund der Relevanz von Lithium und seltenen Erden stellten sich daher in Kulliks Augen einige elementare Fragen auf. Zum einen, wie die Rolle des Staates in der Rohstoffsicherung aussieht, braucht es möglicherweise nationale bzw. europäische Rohstoffreserven neben Öl und Erdgas auch andere hoch relevante Ressourcen wie Lithium, Metalle und seltene Erden? Wie verändern mögliche zukünftige Abbaugebiete von Ressourcen, wie Tiefsee und Weltraum die internationalen Handelsregeln bzw. die internationale Politik?
Auch gab Herr Kullik einen kurzen Einblick in die Bedeutung die Russland, bzw. der Krieg in der Ukraine abseits von ÖL und Gas, welches medial ausführlich diskutiert wird, auch für die Verfügbarkeit von wichtigen Metallen hat. So ist Russland einer der größten Aluminiumproduzenten, der größte Titanproduzent sowie mit Südafrika der größte Palladiumproduzent. Darüber hinaus wurden die Einkäufe von Stahl und Nickel auf Russland stark gedrosselt. Im Anschluss hatten die Teilnehmenden ca. eine Stunde Zeit die Referenten mit ihren Fragen rund um das Thema zu löchern.
Wir möchten uns herzlich bei Herrn Prof. Dr. Wehrspohn und Herrn Kullik sowie den Teilnehmenden für die sehr spannende Diskussion und Vorträge bedanken. Wir wünschen einen guten Start ins Sommersemester 2022.
Beziehungsstatus: Es ist kompliziert - Das Verhältnis von Türkei und NATO am Beispiel des Erdgasstreits im Mittelmeer

Im vergangenen Sommer erhöhten sich erneut die Spannungen im östlichen Mittelmeer, zwischen der Türkei und anderen Anrainer- und NATO-Mitgliedsstaaten, darunter Griechenland und Frankreich.
Vor diesem Hintergrund haben wir am 22.04.2021 unser erstes englischsprachiges Web-Seminar unter dem Titel „Beziehungsstatus: Es ist kompliziert - Das Verhältnis von Türkei und NATO am Beispiel des Erdgasstreits im Mittelmeer“ veranstaltet.
Die eingeladenen Experten Dr. Günther Seufert, Leiter des Zentrums für angewandte Türkeistudien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und Dr. Zenonas Tziarras vom PRIO Cyprus Center (PCC) ergänzten sich in diesem Format hervorragend und ermöglichten ein spannendes lehrreiches Online-Seminar. Dr. Tziarras brachte dabei insbesondere seine Außen- und geopolitische Expertise als Forscher vor Ort in der Region ein, während Dr. Seufert die Veranstaltung mit einen Blick auf die Türkei und deren Dynamiken an sich und deren bedeutung für die Entwicklung der Verhältnisse mit anderen regionalen Akteuren warf.
Das Online Seminar war mit knapp über 20 Teilnehmer:innen gut besucht und es mangelte nicht an spannenden Fragen durch die Teilnehmer:innen. Ein paar der wichtigsten Punkte im Folgenden einmal grob und ohne Anspruch auf Vollständigkeit zusammen gefasst:
Dr. Tziarras stellte in seiner Vortragserföffnung drei Hauptfaktoren vor, die zum Aufstreben der Türkei und der Lage, in der sie sich befindet, beigetragen haben.
Als ersten Faktor nennt er die Machtransition von einem unipolaren System hin zu einem multipolaren System. Den zweiten Faktor sieht er in der Suche der Türkei nach ihrer Identität, während des Kalten Krieges und danach. Zunächst von einem demokratischen Weg, begleitet von wirtschaftlichem Aufschwung hin in eine mehr revisionistische Richtung, nachdem die AKP ihre Macht stabilisiert hat.
Als dritten und letzten Faktor führt er an, wie die innertürkischen Entwicklungen von umliegenden regionalen Akteuren wahrgenommen wurde und der damit einhergehende Versuch das türkische Machtstreben in Balance zu halten.
Dr. Tziarras wies darauf hin, dass jeder der Staaten versucht dabei seine eigenen Interessen zu verfolgen. So formierten sich Griechenland und Zypern gegen die Türkei, mit dem Ziel eine Verteidigung gegen ihr Regionalmachtstreben aufzubauen. Andere Staaten, beispielsweise Ägypten hatten das Ziel neue Handels- und Wirtschaftspartner zu finden und warum insofern motiviert die einhegung der Türkei fortzuführen.
Statt eines Ressourcenkonfliktes sieht Dr. Tziarras den Grund für sich entwickelnden Spannugen eher im griechisch-türkischen Konflikt. Das Erdgas führe jedoch zu einem Anheizen des Konfliktes.
Eine Konfrontation mit der NATO schloss er aus. Aus seiner Sicht ist eine integrative regionale Organisation nötig, um den Konflikt zu entspannen.
Dr. Seufert befasste sich in seinem Input vor allem mit der Ideologie des Neoosmanismus, der die türkische Führung stark anhängt.
Er stellte dabei folgendes hervor:
Der Neoosmanismus beschreibt eine romantische Vorstellung des Osmanischen Reiches in der historischen Betrachtung. Dr. Seufert weist jedoch darauf hin, dass dies nicht in einem nationalistisch-ethnozentrischen Sinne verstanden werden darf. Der Osmanische Staat ist explizit für alle Muslime dar.
Daneben versteht sich Osmanismus beziehungsweise Neoosmanismus als kritisch gegenüber der Moderne und dem modernen Nationalstaat. Diese Vorstellung werde auch in der AKP verfolgt, die überzeugt ist, dass um Frieden und Stabilität zu erreichen, der Nationalstaat überwunden werden müsse. Dies spiegele sich auch in der Öffnung zu einer panarabischen Bewegung hin.
In der Frage-Antwort Runde, welche über die Hälfte der Veranstaltung einnahm, übertrafen sich die Teilnehmer:innen mit hochspannenden Fragen, wodurch wir angeregt und mit vielen neuen Perspektiven und einer Portion Wissbegierde aus der Veranstaltung herausgehen. Insgesammt war das Seminar ein voller Erfolg, was auch die durchweg positive Resonanz wiederspiegelte. Da uns im Nachhinein auch Fragen bezüglich einer Veranstaltungsaufzeichnung erreichten, müssen wir leider mitteilen, dass eine solche nicht existiert. Darüber hinaus war dies unsere erste englischsprachige Veranstaltung. Die Sprache war dabei inhaltlich kein Hindernis, und wir werden auch in Zukunft englischsprachige Seminare Veranstalten.
Abschließend bedanken wir uns ganz herzlich bei Herrn Seufert und Herrn Ziarras und würden uns freuen, wenn dies nicht unser letzter Kontakt zu den beiden Experten war.
Szenario-Übung 2029


Am Donnerstag, den 17.12.2020, von 15:00 bis 18:00 Uhr haben wir, die Hochschulgruppe für Außen- und Sicherheitspolitik Halle, in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) die „Szenario-Übung 2029“ durchgeführt.
Was wäre, wenn? Wie sieht unsere Welt in 8-10 Jahren aus? Diesen Fragen sind wir mit 15 Teilnehmenden der Szenario-Übung auf den Grund gegangen. Die für den diplomatischen Bereich ausgelegte Übung wurde von Alena Epifanova und Marina Solntseva von der DGAP geleitet. Gemeinsam begaben wir uns für 3 Stunden in das fiktive Jahr 2029, betrachtet und gespielt aus den Positionen der drei Staaten/Bündnisse: Vereinigten Staaten von Amerika, Russland und der Europäischen Union. Die Teilnehmenden wurden in diese drei Gruppe aufgeteilt - von da an waren Sie Diplomaten und Vertreter ihrer jeweiligen Staaten/Bündnisse.
Durch die sehr real ausgearbeiteten Einsatzpapiere, die die Situation in der Szenario Welt 2029 beschrieb und die Agenda des jeweiligen Landes darstellte, konnten die Teilnehmenden einen Einblick in das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Geschehen des Jahres 2029 bekommen und auf diesen Informationen aufbauend, ihre Verhandlungstaktiken aufbauen. In gemeinsamen Strategieunterbrechungen konnten sich die Vertreter der Staaten/Organisation immer wieder gemeinsam besprechen und fragen: Was sind wir bereit aufzugeben, worüber könnte man reden und was ist für uns nicht verhandelbar? Durch diese sehr real simulierten Verhandlungen wurde nicht nur Geduld und Kompromissfähigkeit, sondern auch die Verhandlungskompetenz aller Teilnehmenden gestärkt.
Nachdem die Veranstaltung wie im Flug vorbei gewesen ist fiel das Feedback der Teilnehmenden sowie unserer Hochschulgruppe sehr positiv aus. Auch wenn alle übereinstimmten, dass durch das Online-Format die Übung ein wenig an Austausch und Verhandlungsmöglichkeiten zwischen den Parteien einbüßen musste, war der Output, ein verhandeltes Abkommen zwischen allen Parteien im fiktiven Jahr 2029, und der reale Erfahrungs- und Kompetenzgewinn im Jahr 2020 für alle Teilnehmenden ein Gewinn.
Wir bedanken uns hiermit nochmal herzlich bei allen Teilnehmenden und vor allem bei Alena Epifanova und Marina Solntseva für die Durchführung der sehr gelungenen Veranstaltung!
Autonome Waffensysteme - Wer oder was führt die Kriege der Zukunft?


Am Donnerstag, den 06.08.2020, um 17:30 veranstaltete die Hochschulgruppe für Außen- und Sicherheitspolitik Halle, gemeinsam mit Dr. Frank Sauer, ein Online-Seminar zum Thema Autonome Waffensysteme. Die für ca. 100 Minuten angesetzte Veranstaltung trug den Titel: "Autonome Waffensysteme: Wer oder was führt die Kriege der Zukunft?". Die Anmeldung zum Online-Seminar war bis einschließlich Donnerstag, den 06.08.2020 um 17:00 via E-Mail an halle@sicherheitspolitik.de möglich. Bis zum Beginn der Veranstaltung wurden 37 Anmeldungen bestätigt, von denen 35 bei der Veranstaltung anwesend waren. Der Referent bat im Vorhinein darum, die Veranstaltung nicht aufzuzeichnen und zu veröffentlichen, um sie erneut an anderer Stelle halten zu können. Daher wurde von einem wörtlichen Protokoll oder der Aufzeichnung abgesehen. Dr. Sauer forscht und publiziert zu Fragen der internationalen Politik, insbesondere internationaler Sicherheit an der Universität der Bundeswehr München.
Nach einer kurzen Begrüßung und Einstimmung durch die örtliche Vorsitzende, Friederike Engelbrecht, startete die Veranstaltung in die erste Etappe, welche aus einem ca. 40-minütigen Vortrag von Dr. Sauer bestand. Dieser leitete das Thema zunächst durch eine nähere begriffliche und konzeptionelle Bestimmung des Phänomens autonomer Waffensysteme ein. Autonomie und Automatik in Waffensystemen wurden erläutert und es wurde festgestellt, dass die Übernahme von Funktionen durch Maschinen weder gänzlich neu noch per se problematisch ist, sondern vielmehr der Operationskontext und die Art der bekämpften Ziele entscheidend sind. Daraufhin wurden die Triebfedern hinter der Entwicklung hin zu mehr Autonomie in Waffensystemen, inklusive der sogenannten kritischen Funktionen der Zielauswahl und -bekämpfung, beleuchtet und die Beschleunigung von Abläufen als wesentlich herausgestellt und am sogenannten targeting cycle veranschaulicht. Im Mittelteil wurden die rechtlichen, ethischen und sicherheitspolitischen Implikationen unregulierter Waffensystemautonomie diskutiert. Abschließend wurde ein Blick auf den Stand nationaler und internationale Regulierungsbemühungen geworfen.
Auf dieses Input aufbauend, war nun der Zeitpunkt gekommen, um in eine ca. 60-minütige Q&A-Session zu starten. Unter der Moderation von Frederic Dutke, Vize-Vorsitzender der HSG Halle, wurde der Rest der Veranstaltungszeit durch vielerlei Fragen aus verschiedensten Perspektiven voll ausgeschöpft und alle Fragen konnten durch den Referenten, mit Möglichkeit zum Nachhaken, beantwortet werden sodass das Seminar gegen 19:15, nach kurzer Verabschiedung, ein rundes Ende fand.
Wir bedanken uns hiermit nochmal recht herzlich bei unserem Referenten Dr. Frank Sauer für sein Engagement und seine Zeit sowie für die zahlreichen Fragen der Teilnehmer*innen!
Der Weltraum als Austragungsort neuer Konflikte


Der Weltraum als Sphäre für Bedrohungen und Risiken der Sicherheit ist nicht gänzlich neu auf der sicherheitspolitischen Agenda. Bereits im Kalten Krieg kam der orbitalen Infrastruktur eine zivile und militärische Bedeutung zu. Sowohl die Kommunikation, das Ausspähen von Gegnern als auch das nukleare Frühwarnsystem waren stark abhängig von Satelliten-Systemen.
Zu diesem gegenwärtig hoch aktuellen, aber in der fachfremden Öffentlichkeit noch recht unbekannten Thema, hat die Hochschulgruppe für und Außen- und Sicherheitspolitik Halle ein Q&A mit dem Titel "Der Weltraum als Austragungsort neuer Konflikte?" organisiert. Als Experte konnte Torben Schütz, Associate Fellow für das Programm Sicherheit, Verteidigung und Rüstung der Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), akquiriert werden.
In seinem Eingangsstatement informierte Herr Schütz über die naturwissenschaftliche Verortung des Orbits sowie seine gegenwärtige wirtschaftliche und militärische Nutzung. Den Schwerpunkt setzte der Referent jedoch auf den Aspekt der Bedrohungen im Weltraum. Hierbei nahm er eine Unterteilung in aktive bzw. passive menschengemachte Bedrohungen sowie natürliche Bedrohungen, wie zum Beispiel Trümmerteile von alten, inaktiven Objekten im Orbit, vor. Besonders die aktive menschengemachte Bedrohungen sind nach der Expertise von Herr Schütz ein zukünftig relevantes Konfliktfeld und damit eine mögliche Quelle für nationale bzw. internationale Unsicherheit. Dabei teilte er die militärischen Bedrohungsarten in bodengebundene Waffen, Weltraumwaffen, Cyberangriffe und elektronische Kampführung ein. Insbesondere die bodengebundenen Anti-Satelliten-Waffen (ASAT) sind bereits von Staaten wie den USA, Israel und Russland erfolgreich getestet worden. Diese ASAT basieren zum gegenwärtigen Stand der Technik noch auf der Grundlage kinetischer Waffensysteme. Insgesamt sind sowohl zivilgenutzte Satelliten als auch militärische genutzte Systeme, durch die Möglichkeit sie von der Erde aus abzuschießen, äußerst verwundbar.
Als einen weiteren interessanten Aspekt verdeutlichte Herr Schütz die Veränderung der Struktur der Akteure, die den Weltraum kommerziell und militärisch nutzen. Unter den staatlichen Beteiligten hat China seine Aktivitäten enorm gesteigert. Bei den nicht-staatlichen Institutionen gebe es eine generelle Zunahme der Zahl von Raketenstarts, was zu einer weiteren Zunahme der Komplexität der Sicherheitslage im Weltraum führe.
Einige Staaten, wie zum Beispiel Frankreich, China und die USA, haben sich mit dem deutlichen Ausbau der orbital gestützten Aktivitäten ihrer Streitkräfte und dem Ausarbeiten von Strategiepapieren für den Weltraum bereits positioniert. Dies verdeutlicht, wie diese Nationen bereits zukünftige sicherheitspolitische Interessen im Weltraum definieren bzw. deren Durchsetzung garantieren zu versuchen. Die NATO hat die Relevanz dieser neuen potenziellen Bedrohung für das Bündnissystem erkannt und den Weltraum als operationales Einsatzgebiet ausgewiesen. Dies wirft jedoch weitere Fragen auf wie zum Beispiel, ähnlich wie im Cyberraum, Unklarheit im Umgang mit der Beistandsverpflichtung (Artikel 5) besteht, da in beiden Einsatzgebieten keine territorialen Grenzen existieren und die Verursacher der Angriffe schwer zurückzuverfolgen sind. Ein weiteres Problemfeld, welches Herr Schütz aufzeigte, ist die Abwesenheit von Rüstungskontrollverträgen und Verträgen über die Entmilitarisierung des Weltraums - die wenigen und eher uneffektiven bereits existierenden Verträge stammen noch aus Zeiten des Kalten Krieges und sind für die technologischen Expansion in den Orbit nicht mehr angemessen. Diese sollten mit dem Ziel der Entmilitarisierung des Weltraumes wieder auf die sicherheitspolitische Agenda der Entscheidungsträger gerückt werden.
Torben Schütz hat sowohl in seinem sehr umfassenden Vortrag als auch in der konstruktiven Diskussion mit den Veranstaltungsteilnehmern gezeigt, welche Risiken bereits heute innerhalb des Weltraums für unsere nationale bzw. internationale Sicherheit existieren. Mit der weiteren Integration der konventionellen Streitkräfte in das Weltall wird auch mit hoher Wahrscheinlichkeit die militärische Nutzung insgesamt steigen und damit auch in den verstärkten Fokus zukünftiger Konflikte rücken. Gerade die abschließende Diskussion und Möglichkeit Fragen an den Fachexperten zu stellen, wurde intensiv genutzt und von beiden Seiten sehr begrüßt.
Wir bedanken uns hiermit nochmal recht herzlich bei Torben Schütz und allen Teilnehmern für die gelungene Veranstaltung!
Kauft sich China die Welt?


Die Investitionsmotive des angehenden Hegemonen nehmen weltweit zu – vom Ausbau der Neuen Seidenstraße über Investitionen in Afrika und der Ausbildung hoch qualifizierter Akademiker zeigt das Reich der Mitte in zahlreichen Bereichen starke Präsenz. Doch darüber, wie genau der Einfluss Xi Jinpings in der Welt realistisch einzuschätzen ist, diskutierten die drei Experten Prof. Dr. Helwig Schmidt-Glintzer, Prof. Dr. Ulrich Blum und LL.M.oec. Frank Zeugner unter der Moderation von Prof. Dr. Johannes Varwick Anfang Juni im Rahmen einer Veranstaltung der Hochschulgruppe für Außen- und Sicherheitspolitik der Universität Halle.
Einstimmigkeit herrschte vor allem über die innere Instabilität des Landes, die durch die Ambivalenz zwischen urbanen und peripheren Regionen sichtbar wird. Variierende Wirtschaftsleistung und Lebensstandards innerhalb der Volksrepublik verdeutlichen die Heterogenität des Landes. Geeint werde die Nation durch ihre “Urängste”, die laut den Experten als ein möglicher Erklärungsansatz für das aktuelle Aufstreben Chinas angesehen werden können. Hierbei handele es sich zum einen um die Angst vor dem Kontrollverlust durch externe Mächte, wie es bereits mehrmals in der Historie des Landes geschehen ist, beispielsweise im Rahmen des Opiumkrieges. Zum anderen sei die Angst vor Hunger zu nennen, welche das chinesische Volk gerade in Zeiten der Kulturrevolution erleben musste. Zuletzt sei als drittes die Angst, durch andere Staaten erniedrigt zu werden, zu erwähnen. Um die eigene Stärke der Welt präsentieren zu können, baue China auf Dominanz und Machtdemonstration sowie wirtschaftliches Wachstumsstreben. Sowohl die neue Seidenstraßen - Initiative als auch die Investitionen auf dem afrikanischen Kontinent dienen als Beispiel für die Investitionsmotive des aufstrebenden Hegemonen. Die an der neuen Seidenstraße liegenden Staaten profitieren, befinden sich aber zugleich in einer wachsenden chinesischen Abhängigkeit. Aufgrund dieser Wachstumsbestrebung Chinas ergebe sich daher eine weltweite sicherheitspolitische Bedrohung. Als weitere Gefahr wurden die zunehmenden Handelswege und der Gebrauch von Ressourcen auf dem afrikanischen Kontinent genannt, die China zunehmend als internationalen Akteur im Rahmen einer neoimperialistischen Weltordnung etabliere. Ebenfalls nicht zu unterschätzen sei das zunehmend vorhandene westliche Know-How im Land, das durch die Ausbildung junger Chinesen an ausländischen Universitäten importiert wird. Allein in den USA studieren circa 300.000 junge Chinesen, in Deutschland sind es circa 30.000, die nach ihrer Ausbildung mit dem erworbenen Wissen in ihre Heimat zurückkehren.
Die Beispiele der Seidenstraße, Afrika und Akademikern zeigen das gesteigerte chinesische Engagement im internationalen Bereich und die damit einhergehende, nicht zu unterschätzende, Dominanz Chinas. Vor allem die finanzielle Verstrickung in weniger entwickelten Ländern gewährt Raum für chinesische Abhängigkeit. Die Frage “Kauft sich China die Welt?” war daher nicht vollkommen aus der Luft gegriffen und bedarf sicherlich mehr Diskussion und Dialog in der Zukunft.
Wir möchten uns hiermit nochmal recht herzlich bei allen Diskutanten für ihre Teilnahme an der Veranstaltung bedanken!
Theresa Landmann und Friederike Engelbrecht (Vorstand der HSG Halle)
Ist die Ukraine ein fragiler Staat?


Am 04. Dezember 2018 veranstaltete die Hochschulgruppe für Außen- und Sicherheitspolitik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ihre zweite Podiumsdiskussion. Die Durchführung erfolgte mit freundlicher Unterstützung von Dr. Michael Kolkmann. Im Rahmen der obligatorischen Vorlesung im Basismodul „Systemanalyse und Vergleichende Politikwissenschaft" sollte das Thema „Fragile Staaten“ am konkreten Beispiel der Ukraine thematisiert werden. Dr. Kolkmann stellte der HSG zu diesem Zweck eine Stunde seiner Vorlesungszeit zu Verfügung. Um das Thema auf einer breiteren fachlichen Ebene beleuchten zu können, hatte die HSG Dr. Jana Windwehr aus dem Fachbereich Internationale Beziehungen eingeladen an der Diskussion teilzunehmen.
Die Veranstaltung gliederte sich in 3 Abschnitte. Zunächst gab Dr. Kolkmann den Studierenden eine fachliche Einführung in das Thema der fragilen Staatlichkeit. Im zweiten Teil präsentierte Felix Neumann von der HSG eine kurze Einführung in den Ukrainekonflikt, in der er neben einer geografischen Konfliktanalyse auch die grundlegende Entwicklung des Konflikts zusammenfasste. Anschließend leitete er in die Diskussion über, in welcher er den Part des Moderators übernahm.
In der Diskussion wurden zunächst verschiedene theoretische Ansätze zur Analyse fragiler Staaten beleuchtet. Im Fokus standen dabei die diversen Indizes mit denen Staatlichkeit beurteilt werden kann. Beginnend mit dem „Fragile State Index“ wurden Vor- und Nachteile von den beiden Diskutanten herausgestellt. Thematisiert wurden darüber hinaus der Demokratieindex vom „The Economist“, der Bertelsmann Transformationsindex und der Freedom House Index. Die zeitlichen Veränderungen in einem Staat ließen sich am besten mit dem Bertelsmann Transformationsindex darstellen, so Herr Dr. Kolkmann.. Bei allen Indizes sei jedoch zu beachten, dass zwischen vielen der abgebildeten Politikbereichen eine Interdependenz bestünde, sodass die Veränderung in einem Bereich auch Einfluss auf die anderen hätte.
Bei der Anwendung auf das konkrete Beispiel der Ukraine stellte Frau Dr. Windwehr fest, dass beispielsweiseder Demokratieindex des „The Economist“ die Konzentration von Medien bei wenigen Oligarchen vernachlässige. Insgesamt sei die Ukraine noch weit davon entfernt als ein „Failed State“ zu gelten. Dies zeigen auch die Indizes, bei denen die Ukraine meist im Mittelfeld zu finden ist. Wichtig sei es, die positive Entwicklung der letzten Jahre zu fördern. Diese Aufgabe sieht sie klar auf Seiten der Europäischen Union: „Die Frage um die Zukunft der Ukraine wird uns die nächsten 2-3 Jahre intensiv beschäftigen.“
Am Ende bekamen die Studierenden die Chance Fragen an die beiden Dozenten zu stellen. Eine Frage aus dem Publikum betraf die Möglichkeit des Beitritts der Ukraine zur Europäische Union. Frau Dr. Windwehr merkte hierzu an, dass die damit verbundenen Risiken für die EU wohl zu groß seien. Wenn, dann könne eine solche Eingliederung nur in enger Abstimmung mit Russland erfolgen. Herr Dr. Kolkmann sieht größeres Potential in Kooperationsmöglichkeiten außerhalb des Systems der EU. Hierbei nahm er Bezug auf die Vorstellung eines „Europas der unterschiedlichen Geschwindigkeiten“.
Wir möchten uns hiermit nochmal recht herzlich bei allen Teilnehmern für die angeregte Diskussion bedanken.
Handelskrieg - Eine moderne Form des Kräftemessens?

Von Lewis Jeans, Harley-Davidson und J.K. Rowling
Am 04.06.2018 haben wir, die Initiative für Außen- und Sicherheitspolitik, an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) unsere erste Podiumsdiskussion veranstaltet. Nach wochenlangen Vorbereitungen und Überlegungen waren wir schließlich Gastgeber einer Diskussionsrunde zum Thema „Handelskrieg – eine moderne Form des Kräftemessens?“. Knapp 150 Gäste aus den Fachbereichen der Podiumsteilnehmer: Politikwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Rechtswissenschaften, sowie allgemein Interessierte gaben der Veranstaltung ihren Rahmen. Eine kurze Begrüßung und Vorstellung unserer studentischen Gruppe bildete den Auftakt des Abends, bevor Dr. Christian Stock, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für internationale Beziehungen, im Rahmen der Moderation das Wort übernahm. Mit spannenden Eingangsstatements stellten sich unsere vier Podiumsteilnehmer vor:
Prof. Dr. Martin Klein, Prof. Dr. Ingo Pies, Prof. Dr. Christin Tietje und Prof. Dr. Johannes Varwick.
Aufgrund der enormen Aktualität des Themas und den konträren Meinungen und Aussagen, die in den Medien publiziert werden, versprachen wir uns eine spannende Diskussion.
Durch ein alltagsnahes Beispiel, indem Angebots- und Nachfrageverhältnis anhand der J.K. Rowling Bücher erklärt wurde, überzeugte Herr Prof. Dr. Pies vom Lehrstuhl für Wirtschaftsethik direkt zu Beginn. Im Verlauf der Veranstaltung wurde das Thema des Abends sehr konträr diskutiert. Ist „Handelskrieg“ zu provokativ formuliert? Was bedeutet überhaupt Krieg? So waren sich alle Teilnehmer darin einig, dass es sich nicht um einen Krieg im ursprünglichen Sinne handelt, so wie es häufig in den Medien publiziert wird, sondern um eine heftige politische Auseinandersetzung mit strategischem Vorgehen, um eigene politische und wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Denn gerade dies ist der Kern der Thematik. Es geht lediglich um die Interessen dreier Mitspieler. Somit soll unteranderem die innere Sicherheit der USA gewährleistet bleiben und die hohen Exportüberschüsse mancher Länder, wie beispielsweise dem von Deutschland entgegengewirkt werden.
Aber auch der sicherheitspolitische Aspekt konnte durch Herrn Prof. Dr. Varwick genauer beleuchtet werden, in dem er sich vor allem darauf bezog, dass eine von den USA geführte Welt besser ist, als eine von Russland und China geführte.
Ein besonderer Fokus konnte durch Prof. Dr. Klein vom Lehrstuhl für internationale Wirtschaftsbeziehungen auf die Rolle Chinas gelegt werden.
Prof. Dr. Tietje vom Lehrstuhl für Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht und Internationales Wirtschaftsrecht äußerte sich wie folgt zu der Bedeutsamkeit dieser Angelegenheit:„Es geht um Protektionismus. Das Thema ist aktuell und wird es immer sein.“
Die Diskussion zeichnete sich vor allem durch ihre Interdisziplinarität aus, wodurch interessante Ansätze von Denkweisen aus den ganz unterschiedlichen Fachbereichen unserer Podiumsteilnehmer vorgestellt wurden. Dies sorgte für eine durchweg kontrastreiche Diskussion verschiedenster Blickwinkel.
Letztendlich kam man zu folgender Schlussfolgerung – die Vereinigten Staaten von Amerika handeln nicht grundlegen falsch, indem sie auf Importe, wie zum Beispiel auf Stahl aus Deutschland hohe Strafzölle von bis zu 25 Prozent erheben. Die Art und Weise wird jedoch nicht für sinnreich gehalten.
Nach einer etwa 60-minütigen, teils sehr hitzigen Diskussion innerhalb des Podiums, wurde es für die verbleibenden 30 Minuten interaktiv – und das Publikum hatte viele Fragen. Von allgemeinen Statements aus eigener Perspektive, bis hin zu konkreten Fragen über die Zukunft der multilateralen Welt, war alles vorhanden.
Einige Fragestellungen sorgten sowohl bei unseren Gästen als auch bei der Zuhörerschaft für leichtes Schmunzeln. So handelte die letzte Frage von Levis Jeansund Harley-Davidson - und ob Sanktionen der EU diese Produkte nun deutlich teurer werden lassen würden. Als neu gegründete Initiative für Außen- und Sicherheitspolitik der MLU sind wir sehr zufrieden und stolz auf die Gestaltung des Abends und die Diskussion. Dies liegt natürlich auch an der angeregten Teilnahme unserer Gäste, bei denen wir uns hiermit nochmal herzlichst bedanken möchten!